2015 nahte das Ende meiner Ausbildungszeit an der Gerichtsmedizin in Innsbruck und es musste eine neue Herausforderung her. Was tun?

  1. Meine gerichtsmedizinischen Fähigkeiten vertiefen und festigen

  2. Was verdienen

  3. Ein wenig näher an Vorarlberg … 

… da musste es wohl die Schweiz werden. Gute Bezahlung, nahe am westlichsten österreichischen Bundesland und v.a. mit gerichtsmedizinischen Möglichkeiten (an den Begriff der „Rechtsmedizin“ will ich mich einfach nicht gewöhnen, „Gericht“ klingt doch besser, aber bitte …). Zunächst eine Bewerbung am Institut für Rechtsmedizin in Zürich. Dort sollte jedoch schon jemand im Sommer 2015 anfangen, meine Ausbildungszeit endetet jedoch erst Ende 2015. Nächste Möglichkeit St. Gallen. Mein gerichtsmedizinischer Mentor in Innsbruck hatte dort auch schon 1 Jahr zugebracht und die Art und Weise wie in CH Gerichtsmedizin betrieben wurde sehr geschätzt. Also eine Initiativbewerbung geschickt, zum Vorstellungsgespräch geladen worden und bald hatte ich eine Oberarztstelle in der Tasche. 

Anfang 2016 kam die Übersiedelung nach St. Gallen, welche erstaunlich friktionsfrei verlief. Eine Wohnung war bald gefunden, die Anmeldung am Einwohneramt verlief reibungslos und das Übersiedeln - oder wie es in CH heisst „zügeln“ - war unaufgeregt. Die Zollformalitäten einfachst, wenn ich auch sagen muss, so viel hatte ich nicht mit, die Möbel war neu bei Ikea erstanden, und ich zügelt nur mit einem Minimum, denn meine Wohnung in Innsbruck hatte ich behalten. 

Folgende Abläufe sollte man dabei im Auge behalten:

  1. Wohnung ohne Aufenthaltsgenehmigung erhält man mit einem Arbeitsvertrag

  2. Es braucht dafür eine sog. „Betreiberauskunft“ … für Österreicher: Kreditschutzverband - Selbstauskunft … für Deutsche (Schufa-Eintrag)

  3. Ohne Aufenthaltsgenehmigung gibts so gut wie gar nix, kein Konto (ausser bei der Post), keine Handy (ausser Prepaid)

  4. Die Aufenthaltsgenehmigung gibts erst mit Wohnung (also mit Wohnsitz) und die Ausstellung vom "Ausländerausweis“ (ja so heisst der wirklich) dauert einige Tage. Hat man einen unbefristeten Arbeitsvertrag, so bekommt man den Ausweis „B“, hat man hingegen mal erst einen befristetet Vertrag, so bekommt man den Ausweis „L“ (das ist nicht besser als wäre man Asylant, man kann zwar ein Konto eröffnen, aber ohne Kreditkarten).

  5. Hat man sich erfolgreich beim Einwohneramt angemeldet dann hat man EIN Monat Zeit sich eine geeignete Krankenversicherung zu suchen (s.u.).

Ein Jahr lang kann man mit dem Auto mit ausländischem Kennzeichen und Zulassung fahren, so lange dieses versichert ist. Man muss das Fahrzeug beim Zoll anmelden und man bekommt dann vom Strassenverkehrsamt ein Infoschreiben mit allen Daten. Es hat sich bewährt eine Kopie von diesem Schreiben im Fahrzeug mitzuführen, und dieses gegebenenfalls bei einer Grenzkontrolle vorzuweisen. Nach Ablauf des Jahres ist das Fahrzeug umzumelden und auch der Führerschein (heisst übrigens in der Schweiz „Führerausweis“) umzuschreiben. Da kennt die Schweiz keinen Spass (so wie alle anderen Länder auch nicht) und es kann bei längerer Nutzung des Fahrzeugs zu empfindliche Strafen kommen.

Man kann natürlich das Fahrzeug auch vor Ablauf der Frist im Ausland verkaufen, dann ist dies beim Zollamt zu melden (problemlos).

Dass man sich selber versichern MUSS bei einer der vielen Krankenkassen war etwas Neues, und das Angebot unübersichtlich. Aber für alle Vergleiche gibt es COMPARIS, eine sehr gute Seite, wo man wirklich alles vergleichen kann und auch Bewertungen bekommt. P.S. In meinem Fall gab es spezielle Konditionen zwischen meinem Arbeitgeber und SWICA. Diese Versicherung ist zwar etwas teurer, macht jedoch wenig Zicken wenns ums zahlen geht (laut Info meines Hausarztes).

Die Versicherung kann man immer per Stichtag im Herbst EINMALIG pro Jahr wechseln. Will man hingegen die Versicherung kündigen, da man CH verlässt, so kann man das bis max. 1 Monat davor machen. Dafür gibt es ein Online Formular, geht eigentlich problemlos. Interessant ist nur, von der Swica hab ich dann einfach nichts mehr gehört, nur per Email die Empfangsbestätigung dass die Kündigung eingelangt ist. Auf mein Nachfragen bekam ich von einer Mitarbeiterin per Email die Antwort, ja passt - mehr nicht??!!

Die Lebenserhaltung in der Schweiz ist teuer, nur gut dass man in St. Gallen nahe an der deutschen bzw. österreichischen Grenze wohnt. Aufpassen muss man dann beim Grenzübertritt wenn die Frage kommt „Haben Sie Waaaare mit“. Bei Fleisch wird es ganz heikel, da kennen die Zollbeamten nichts, 1kg pro Nase. Davor glaube ich kann man auch Atombomben mitbringen, bloss nicht zu viel Fleisch oder Milchprodukte. Kauft man in der Schweiz ein, so wird Fleisch mit Gold aufgewogen. Kosten 250g Huhn in der EU 3-4 Euro maximal, sow zahlt man CH bald mal 10-12 CHF (was ja ungefähr dem gleichen Wert in Euro entspricht). Auch vergoldet werden z.B. Kartoffelchips!? 

Ebenfalls teuer wird das Essen gehen. Um den Preis, den man in CH für eine Person zahlt, werden in Österreich mehrere Leute satt. Gut zeigt sich das auch beim Fastfood. Gibt man in Österreich für ein McDonalds Menü ca. 8 Euro aus, muss man in CH gleich mal 15-16 CHF berappen. Man darf dabei natürlich nicht das höhere Lohnniveau aus den Augen lassen.

In den meisten Ländern wird immer mehr darüber diskutiert, ob denn die Arbeitszeit nicht zu hoch sei, ob man mehr Urlaub brauche usw. Anders in CH. Andauernd wird das Volk an die Urnen gerufen um irgendwelche Gesetzesanträge abzustimmen. So wurde vor einiger Zeit auch die Frage nach mehr Urlaub - in CH sind es derzeit 4 Wochen pro Jahr - gestellt. Siehe da, die Schweizer stimmten DAGEGEGN. Ja, richtig gelsen!

Irgendwie habe ich nach einem Jahr Arbeiten in der Schweiz das Gefühl, der Schweizer lebt zum Arbeiten. 10 Stunden pro Tag, 5 Tage die Woche, 4 Wochen Urlaub, wenige Feiertage … Richtig schlecht fühlt man sich wenn man Arbeits-% verringert. Da ist man wohl nicht mehr von dieser Welt in den Augen der meisten Schweizer. Da kam mir der Artikel in der Blick (ja ich weiss, die Bild der Schweizer ;-) ), dass immer mehr Schweizer dem eigenen Land den Rücken kehren (Ausländer wollen rein, Schweizer gehen raus). Laut Artikel sei der helvetische Hotspot Lyon in Frankreich, wo wohl gut 100.000 Schweizer sich niedergelassen hätten. Möglicherweise liegt das auch an der französischen heiligen Kuh der < 40h/Woche. Gut, knapp 800.000 Auslandsschweizer sind jetzt nicht gerade DIE Masse, trotzdem zeigt es, dass viele Schweizer was anders wollen. 

Schwierig wird es, wenn man bei den Schweizern Anschluss sucht. Das funktioniert etwas schwierig. So gesellig Schweizer z.B. im Urlaub im Ausland sind, so austern-mässig verhalten sie sich im eigenen Land. Kontakt hatte ich nur zu einzelnen Schweizer, v.a. aber zu Ausländern (Deutsche, Österreicher) . Vielleicht wäre es anders, wenn man in einem Verein wäre, keine Ahnung, dafür fehlte mir einfach die Zeit.

Arbeiten in der Schweiz ist mit viel „Reden wir darüber“ verbunden. Sitzungen über Sitzungen, bei denen meist … nichts/wenig raus kommt. Aber alle sind zufrieden, man hat darüber geredet. Lösungen? Meist Fehlanzeige. Aber man wurde von Arbeit abgehalten. „Mach mal“ gibts auch nicht, schön die Abläufe einhalten, also zuerst mal darüber reden. Verzögerungen sind dabei oft vorprogrammiert. 

Was geht gar nicht in der Schweiz? Naziparolen schwingen und Hitlergruss - wird toleriert solange man niemanden umpolen will. Drogen konsumieren - ist ok teilweise ok. Aber beim schnellen Autofahren, da kennt die schweizerische Justiz keine Gnade. Und schnell darf nicht so ausgelegt werden, wie in Deutschland oder Österreich. Weniger als 10 km/h Übertretung in einer 30er Zone kostet in der Schweiz aber schon bis zu 80 CHF. Wird man noch zum Raser klassifiziert (z.B. auf der Autobahn) dann ist überhaupt aus mit lustig. Da ist jedes Kapitalverbrechen schon fast ein Kavalliersdelikt dagegen.

Zusammenfassend habe ich diesem Jahr in CH viel gelernt und kennen gelernt. Ist CH ein Ort zum Leben und Arbeiten. Ich weiss es nicht, das muss wohl jeder selber ausprobieren.